Hermann von Gilm               Sonette an eine Roverettanerin

1812 – 1864                                        (Auszüge)

 

 

 

Recht philomenenhaft trugst du ums Haupt

Den Kranz von offnen Rosen weiß und rot,

Solch' heil'ger Kopfschmuck, scheint mir, ist zur Not

Den bleichen Bräuten Gottes nur erlaubt.

 

Mich schauderte, als ich die Hand dir bot

Zum Tanz - ich wäre krank, hast du geglaubt -

Mir war, als hätt' ich Kirchengut geraubt

Und hätt' geplündert den geschmückten Tod.

 

Die gleichen Rosen ohne grünes Blatt

Trug meine Schwester, liegend am Altar,

Mit neunzehn Lenzen schon des Lebens satt.

 

Dann warf aufs Opfer sich der Nonnen Schar,

Und auf die Erde flogen Kranz und Haar,

Daß mir, dem Mann, das Herz gezittert hat.

 

 

 

Was doch ein Jesuit kann alles wissen!

Er predigte: Der Mensch kann nichts vollbringen;

Wenn ich und du auf diesen Rasen springen,

So hat es Gott gethan mit unsern Füßen.

 

Und wenn wir etwas thun von bösen Dingen,

Zum Beispiel stehlen, raufen oder küssen -

Was wir uns aber niemals unterfingen -

Hat Gott im Himmel mit uns stehlen müssen.

 

Daraus ergab sich nun der Sünden Schwere,

Weil Gott, der Reinste, Lob der Engelzungen,

Vom Sünder wird zum Sündigen gezwungen.

 

Der Jesuit bringt dich zu großer Ehre,

Nicht ich, nach dieser orthodoxen Lehre:

Gott selbst hat die Sonette dir gesungen.

 

 

 

 

So schnell als möglich sucht man sie zu heilen,

Die Wunden, die man selber sich geschlagen,

Schlug man sie doch, um Narben auch zu tragen

Und eines Kämpfers Ruhm damit zu teilen.

 

Du meinst und sprichst es aus in deinen Zeilen,

Ich sollt' zum Schlusse meiner Liebesklagen

Nun auch den Arzt um seine Meinung fragen

Und dann gemütlich in den Hafen eilen.

 

Doch Streiche giebt es, die so tief getroffen,

Und Schmerzen giebt es von so wilden Gluten,

Die nicht zu kühlen mit des Meeres Fluten;

 

Und hat der Mensch nichts andres mehr zu hoffen,

Zu beten nicht, als langsam zu verbluten,

Dann, lieber Freund, läßt man die Wunden offen.

 

 

 

 

Die Arme nackt und unter leichten Hüllen,

Der volle Busen hinter goldnem Fächer,

Rings Reiz an Reiz, der Tag ist heiß, und schwächer

Fühlt sich die starke Seele wider Willen.

 

Komm fort von hier, die heiße Glut zu stillen,

Ich weiß ein Dutzend braune Hirtendächer,

Wo Alpenrosen die kristallnen Becher,

Rot wie dein Mund, uns mit Sorbetten füllen.

 

Ein greises Gletscherhaupt begrüßt uns heiter,

Doch streng und keusch – von unsichtbarer Leiter

Springt dort ein Bach, ein Schwätzer ist’s, zu Tal.

 

Der Wind der Höhe, der Lawinenreiter,

Sucht deiner Schultern Schnee; da nimm den Schal –

Mein Blut ist abgekühlt, wir gehen weiter.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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